Wasserstoff-Kernnetz

Die Transformation von Erdgas hin zu grünen Gasen – allen voran Wasserstoff (H2) – ist eine Jahrhundertchance: für unsere Gesellschaft, unsere Energieversorgung und nicht zuletzt für das Erreichen der Klimaziele. Gleichzeitig gehen die notwendigen Transformationsprozesse mit erheblichen Kosten und Risiken für alle beteiligten Akteure einher. Noch ist die grüne Wasserstoff-Zukunft eine Vision. Für ihre Realisierung treten Bund und Fernleitungsnetzbetreiber mit dem Wasserstoff-Kernnetz jetzt in Vorleistung. Am 15. November 2023 hat der FNB Gas e.V. den Antragsentwurf für das Wasserstoff-Kernnetz bei der Bundesnetzagentur (BNetzA) eingereicht. Ein wichtiger Meilenstein für den H2-Markthochlauf.

An einer sicheren, diversifizierten, grünen und international wettbewerbsfähigen Energieversorgung für Industrie und Mittelstand hängt die Zukunft des Wirtschaftsstandorts Deutschland. Und damit unser Wohlstand. Was braucht es also für den schnellen und erfolgreichen Umstieg auf Wasserstoff und andere grüne Gase?

Ohne Infrastruktur kein H2-Markthochlauf

Das geplante Wasserstoff-Kernnetz ist der erste, aber entscheidende Schritt. Denn die Transportinfrastruktur löst das bestehende Henne-Ei-Problem: Alle Akteure entlang der H2-Wertschöpfungskette bekommen Planungssicherheit für ihre Investitionen – von der H2-Produktion über Speicher bis hin zur Umstellung von Verbrauchsanlagen.

Der Antragsentwurf, den die Fernleitungsnetzbetreiber am 15.11.2023 bei der Bundesnetzagentur eingereicht haben, ist der nächste wichtige Meilenstein auf dem Weg zum Wasserstoff-Kernnetz und damit zum H2-Markthochlauf. Das Wasserstoff-Kernnetz hat im aktuellen Entwurfsstand eine Gesamtlänge von rund 9.700 Kilometern. Es verbindet deutschlandweit die zentralen Verbrauchsschwerpunkte mit Importrouten und künftigen Erzeugungsstandorten.

Wir Fernleitungsnetzbetreiber haben den Auftrag der Bundesregierung erhalten, das Wasserstoff-Kernnetz zu planen und umzusetzen. Dieser großen und bedeutenden Aufgabe nehmen wir uns gerne an. Denn das H2-Kernnetz ist die zentrale Voraussetzung für den Aufbau der Wasserstoff-Wirtschaft und damit für die Vermeidung von CO2-Emissionen in Industrie und Mittelstand. Nur mit Wasserstoff können wir die gesteckten Klimaziele erreichen.

Das H2-Kernnetz – immer noch kein Selbstläufer

Wir wollen nun die nächsten Schritte in Richtung Realisierung gehen. Neben der Modellierung und den regulatorischen Rahmenbedingungen ist eine Finanzierung des Netzes zentral. Die dafür notwendigen Investitionen liegen im zweistellen Milliardenbereich. Diese Vorleistung für den Aufbau eines völlig neuen Marktes bedeutet aber auch ein nicht unerhebliches unternehmerisches Risiko für die Fernleitungsnetzbetreiber, die das H2-Kernnetz aufbauen sollen und auch wollen. Deshalb sind mindestens mit dem Stromsektor vergleichbare Investitionsanreize und -absicherungen unabdingbar. Denn der Erfolg der Wasserstoff-Transformation hängt letztlich von der H2-Nachfrage und diese wiederrum vom H2-Preis ab. Beides Faktoren, die derzeit noch nicht abzuschätzen sind – und die nicht in der Hand der Ferngasnetzbetreiber liegen.

Insbesondere braucht es ein Finanzierungsmodell, das die unternehmerischen Risiken beim Aufbau dieses völlig neuen Marktes abbildet und sich als kapitalmarktfähig erweist. Am 15. November, parallel zur Einreichung des Antragsentwurfs, hat das Bundeskabinett die dritte Änderung der EnWG-Novelle auf den Weg gebracht. Dieser Gesetzesentwurf enthält bereits zentrale Eckpunkte zum Finanzierungsmodell für das H2-Kernnetz. Dennoch bleiben einige Punkte ungeklärt. Die FNB werden darüber mit dem Gesetzgeber und der BNetzA im Dialog bleiben, sodass die H2-Leitungsprojekte wie geplant starten können.

Es geht nur gemeinsam

Für die Errichtung und Inbetriebnahme des H2-Kernnetzes bleibt nicht viel Zeit. Maximal acht Jahre sind nicht viel für derartige Infrastrukturvorhaben. In ganz Deutschland werden dutzende Projekte parallel in die Umsetzung gehen. Daher braucht es eine Beschleunigung und eine Vereinheitlichung von Planungs- und Genehmigungsverfahren, um den politisch vorgegebenen Zeitplan zu halten. Dieser ist jedoch realistisch, wenn alle beteiligten Akteuren im Schulterschluss mit der Politik zusammenarbeiten. Auch in dieser Zwischenphase treiben wir viele Projekte energisch voran, um keine Zeit zu verlieren. Im Rahmen der Initiative GET H2 wurde zum Beispiel bei einer Gemeinschaftsleitung bereits ein Raumordnungsverfahren abgeschlossen, Maßnahmen zur Umstellung von Leitungen sind in vollem Gange. Eins ist sicher: Das H2-Kernnetz ist eine Gemeinschaftsaufgabe!

Aus meiner Sicht braucht es für einen schnellen H2-Hochlauf vor allem:

  • Politischen Rückenwind und gesellschaftliche Akzeptanz
  • Eine transparente und verlässliche Regulierung
  • Beschleunigte Planungs- und Genehmigungsverfahren
  • Effektive Investitionsanreize entlang der H2-Wertschöpfungskette
  • Kooperation und Dialog aller beteiligten Akteure

Und ich schreibe dies nicht nur aus Eigennutz. Denn es geht um nicht mehr und nicht weniger als die Frage: Dekarbonisierung oder Deindustrialisierung?

Nur der erste Schritt

Das H2-Kernnetz ist jedoch „nur“ der erste Schritt. Denn wir dürfen den Mittelstand nicht vergessen! Ausgehend vom H2-Kernnetz wird es auf Grundlage einer integrierten Netzplanung für Methan und H2 darum gehen, Wasserstoff auch in die Fläche zu bringen. Dorthin, wo die Unternehmen sind. Dafür müssen parallel zur Umsetzung des H2-Kernnetzes sowohl die technischen als auch die notwendigen regulatorischen Voraussetzungen geschaffen werden. Fest steht: Für die künftige Wasserstoff-Wirtschaft brauchen wir ein flächendeckendes Leitungsnetz über alle Transportebenen. Ein Netz, das Importpunkte, H2-Produktionsstandorte sowie die Verbraucher aus Industrie und Mittelstand ebenso den Verkehrssektor und die potenziellen Haushaltskunden miteinander verbindet.

Wir Fernleitungsnetzbetreiber können das Wasserstoff-Kernnetz bauen – die grüne Transformation können wir jedoch nur gemeinsam schaffen.

Hinweis: Dieser Gastkommentar ist am 10.11.2023 zuerst im energate messenger erschienen. Einige Passagen wurden für die Veröffentlichung auf unserer Website aktualisiert.

 

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